Das Einheitspatent bzw. das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung startet voraussichtlich am 1. April 2023 und soll das bisherige europäische Patentsystem ergänzen und vereinfachen. Darüber hinaus können die Anmelder mit einer erheblichen Kostenersparnis rechnen, für den Fall, dass in mehreren ratifizierenden Ländern Patentschutz begehrt wird. Auswirkungen wird das Einheitspatent erst nach Erteilung eines europäischen Patents entfalten, so dass bis zu einer Patenterteilung das Verfahren unverändert bleibt. Es gibt also beispielsweise keine inhaltlichen Änderungen zu Fragen der jeweiligen Patentierungsvoraussetzungen (siehe hierzu das Beispiel „Softwarepatent/ Digitalpatent“).
Das traditionelle europäische Patentsystem wird für die Anmelder weiterhin verfügbar sein und sieht vor, dass ein Prüfungsverfahren vor dem europäischen Patentamt durchlaufen wird. Eine europäische Patentanmeldung kann direkt beim europäischen Patentamt eingereicht werden oder aber auch im Rahmen des PCT Verfahrens nach Eintritt in die regionale Phase vor dem europäischen Patentamt angestrebt werden. Mit erfolgreich durchlaufenem Prüfungsverfahren, also der Patenterteilung, war es bisher vorgesehen, dass der Anmelder entscheidet, in welchen Mitgliedstaaten des europäischen Patentübereinkommens das Schutzrecht validiert wird. Derzeit umfasst das europäische Patentübereinkommen 39 Mitgliedstaaten, die nicht generell den Mitgliedstaaten der EU entsprechen. Als Beispiele können die Schweiz oder die Türkei genannt werden, in denen auch als nicht EU-Staaten mittels des europäischen Patentübereinkommens Schutz aus einem europäischen Patent begehrt werden kann.
Nach der Erteilung war es also nach dem bisherigen europäischen Patentübereinkommen so, dass die Anmelder nicht automatisch Schutz für alle Mitgliedstaaten erhalten haben, sondern vielmehr mussten diese einzeln ausgewählt werden und sodann gegebenenfalls Handlungen vor diesen nationalen Patentämtern vorgenommen werden, was je nach Land mit Gebühren verbunden war. Zudem mussten vor den nationalen Patentämtern Jahresgebühren entrichtet werden und teils Übersetzungen eingereicht werden.
Dieses System ist nach wie vor in Kraft und wird durch das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung ergänzt. D.h. also, dass der Anmelder nach dem herkömmlichen Patenterteilungsverfahren entscheiden kann, ob er Länder nach dem bisherigen Modell validiert oder aber alternativ oder additiv einen Antrag auf einheitliche Wirkung (Einheitspatent) stellt. Mit diesem Antrag erhält der Anmelder Schutz in den Mitgliedstaaten des Einheitspatent und somit Patentschutz in bis zu 25 Staaten. Der geographische Umfang des Einheitspatent bezieht sich auf die jeweilige Anzahl der ratifizierenden Staaten des Einheitspatents. Nach derzeitigem Stand sind dies 17 Staaten. In den weiteren Mitgliedstaaten des europäischen Patenteinkommens, welche das Einheitspatent nicht ratifiziert haben kann additiv nach dem herkömmlichen Verfahren validiert werden. Eine Doppelpatentierung derart, dass in Ländern validiert wird, die Mitglied des Einheitspatent sind und dieses beantragt wurde, ist nicht möglich.
Der komplexe Sachverhalt soll an folgendem Beispiel verdeutlicht werden. Der Anmelder hat ein Patenterteilungsverfahren erfolgreich durchlaufen und strebt nunmehr Schutz in den Ländern Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Malta, Großbritannien, Türkei und Schweiz an. In allen Ländern kann ausgehend von der europäischen Patenterteilung jeweils einzeln national validiert und somit wirksam Schutz gewährleistet werden. Nunmehr ist abzuwägen, ob sich hier tatsächlich das herkömmliche, noch immer verfügbare, System anbietet oder ob das Einheitspatent zu bevorzugen ist. Wird Schutz in mehr als vier ratifizierenden Ländern des Einheitspatents angestrebt, so kann hier typischerweise zur Stellung des Antrags auf einheitliche Wirkung (Einheitspatent) geraten werden. Vorliegend sind nach derzeitigen Stand Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande und Malta Mitgliedstaaten, welche das Einheitspatent ratifiziert haben. Die nicht EU-Mitgliedstaaten Großbritannien, Türkei und Schweiz können das Einheitspatent jedoch nicht ratifizieren. In dem vorliegenden Fall kann also dazu geraten werden, nach Patenterteilung den Antrag auf einheitliche Wirkung zu stellen und somit kann hierdurch Schutz in Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande und Malta gewährt werden. Additiv zum Einheitspatent kann der herkömmliche Weg der Validierung in Großbritannien, Türkei und der Schweiz gewählt werden. Automatisch erhält der Patentinhaber Schutz in allen ratifizierenden Staaten des Einheitspatents, wie zum Beispiel Schweden. Hier bietet sich also eine Kombination aus Einheitspatent und herkömmlicher einzelner Validierungen an.
In einem anderen Anwendungsfall strebt der Patentinhaber Schutz in Deutschland, Frankreich und Großbritannien an. Aufgrund der geringen Anzahl an angestrebten Staaten, die das Einheitspatent ratifiziert haben (vorliegend nämlich Deutschland und Frankreich) kann es hier vorteilhaft sein insgesamt auf den bisherigen Weg der Einzelvalidierung zu setzen und von einem Einheitspatent abzusehen.
Generell entfaltet das Einheitspatent eine einheitliche Wirkung bezüglich aller ratifizierten Staaten. Dies heißt also, dass Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf das Einheitspatent vor einem einzigen Gericht, nämlich dem einheitlichen Patentgericht (Unified Patent Court), entschieden werden können. Nach dem bisherigen System der Einzelvalidierung waren die nationalen Gerichte zuständig. So ist es beispielsweise möglich, dass bei gesonderten Validierungen die nationale Wirkung in unterschiedlichen Ländern auch bei gleicher Sachlage unterschiedlich entschieden werden kann. So kann ein deutsches Gericht bei gleicher Sachlage über eine Patentverletzung anders entscheiden als beispielsweise ein Gericht in Frankreich. Das einheitliche Patentgericht stellt hier jedoch nunmehr sicher, dass das Einheitspatent eben auch im Geltungsbereich eine einheitliche Wirkung entfaltet. Ferner kann es einheitlich widerrufen oder (beschränkt) aufrecht erhalten werden.
Bezüglich der Frage, ob das Einheitspatent für Ihr Unternehmen attraktiv ist bzw. ob die einheitliche Wirkung überhaupt gewünscht ist, berät Sie ihr Patentanwalt. Zudem kann es vorteilhaft sein, eine Patenterteilung aufzuschieben und falls dies der Patentinhaber wünscht erst mit Inkrafttreten des Einheitspatents zur Erteilung zu bringen.